Studie mit 3000 Arztpraxen
Diskriminierung gibt es überall — auch im Gesundheitssystem. Doch hier ist offenbar der Geldbeutel entscheidender als die Ethnie, haben österreichische Volkswirtschaftler*innen herausgefunden.
3000 fingierte Terminanfragen
Noch immer gibt es in Deutschland das Zwei-Klassen-System bei der Krankenversicherung. Die einen sind gesetzlich versichert, die anderen privat. Das Gerücht, dass Privatpatient*innen bevorzugt behandelt werden, hält sich hartnäckig. Obwohl es von vielen Seiten auch regelmäßig abgestritten wird.
Eine österreichische Forschergruppe wollte nun herausfinden, was an der Bevorzugung von Privatversicherten dran ist. Sie starteten einen Feldversuch und kontaktierten über 3000 deutsche Arztpraxen mit einer Terminanfrage per E-Mail. Die fingierten Absender*innen waren entweder privat versichert oder gesetzlich. Außerdem unterschieden sie sich in ihrer Ethnie: Die eine Hälfte hatte deutsche Namen, die andere hatte Namen, die eine türkische Herkunft vermuten ließen.
Am Ende wurden Terminvergabe und Wartezeiten mit Versicherungsstatus und Ethnie verglichen. Das Ergebnis: Privatpatienten wurden bevorzugt, egal ob sie deutscher oder vermeintlich türkischer Herkunft waren. Diskriminiert wurden dagegen gesetzlich Versicherte.
Geldbeutel schlägt Ethnie
Das ist überraschend, da die Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft in vielen Lebensbereichen sehr häufig ist, betont Volkswirtschaftler Rupert Sausgruber, einer der Autoren der Studie. „Offenbar ist der Markt der ambulanten Gesundheitsversorgung von wettbewerbsorientierten Kräften geprägt ist, die stark genug sind, um eine derartige Diskriminierung zu unterdrücken“, erklärt er. Kurz gesagt: Wenn es ums Einkommen geht, scheint vielen Ärzt*innen der Versichertenstatus ihrer Patient*innen wichtiger zu sein als eventuelle eigene ethnische Vorbehalte.
Quelle: WU Institut für Finanzwissenschaft und Öffentliche Wirtschaft
30.12.2020 Autor: Dr. med. Sonja Kempinski Bildrechte: Iryna Inshyna/Shutterstock.com